Auf den Spuren der Geschichte des LMG

Der Projektkurs Geschichte fährt nach Ypern

 

Der Projektkurs Geschichte wurde im Schuljahr 2019/20 von Frau Böttcher und Herrn Heck geleitet. Er wurde in diesem Jahr von neun Schülerinnen und Schülern angewählt und behandelte vor allem das Thema Gedenkkultur an unserer Schule.

 

Was viele nicht wissen, da diese seit den siebziger Jahren vor dem Heizungskeller verstauben:  In unserer Schule befinden sich Gedenktafeln aus den 1920’ern für die im Ersten Weltkrieg Gestorbenen unserer Schule. Dort sind 99 Namen von Schülern (damals war unsere Schule noch eine reine Jungenschule) und Lehrern aufgelistet, die in den Krieg gezogen sind und dort oder an den Folgen des Krieges verstorben sind. Wie soll man mit diesen Tafeln und der Erinnerung an diese 99 „Ehemaligen“ umgehen? Da man sich ethisch die Frage stellen kann, ob diese Menschen „Helden“ oder „Täter“ waren, stand die Frage nach der Erinnerung und einem „angemessenen“ Gedenken im Zentrum des Kurses.

Der Grundaufbau des Kurses war ungefähr passend in die vier Quartale aufgeteilt.

So haben sich die Schüler*innen gemeinsam mit den beiden Lehrkräften zunächst mit Grundlagen der Erinnerungskultur beschäftigt. „Was ist Erinnerungskultur?“ „Welche Erinnerungskultur(en) gibt es in Deutschland?“. Im zweiten Quartal sind sie dann zu dem Thema Erster Weltkrieg übergegangen. Im dritten Quartal beschäftigten sie sich mit den Menschen, deren Namen auf den Gedenktafeln sehen. Dafür sind sie mehrmals ins Stadtarchiv gefahren, haben Kriegs-Totenlisten gesichtet, im Schularchiv gesucht und waren in verschiedenen Büchereien. Dabei wurden die 99 Toten unter den Schüler*innen und den Lehrer*innen verteilt und jeder hat zu „seinen Toten“ Steckbriefe erstellt. Auch wurde dem Kurs durch Frau Dr. Jana Moers vom außerschulischen Bildungspartner Stiftung Gedenken und Frieden des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. ein Einblick in die Arbeit des Vereins geboten, der uns nicht nur mit seiner Datenbank bei der Suche geholfen hat. Im Zusammenhang mit dem Thema Gedenkkultur sowie mit diesen Steckbriefen sind der Projektkurs Geschichte sowie zwei Redakteurinnen aus dem Deutschprojektkurs (der die Schulzeitung schreibt) als dreizehnköpfiges Team nach Ypern gefahren um dort weiteres über den Ersten Weltkrieg zu lernen und sich mit verschiedene Gedenk- und Erinnerungskulturen auseinanderzusetzen. Zudem starben und liegen in der Nähe von Ypern auch ehemalige Schülern, welche wir besucht haben. Diese Fahrt wurde neben Mitteln des Landes NRW auch von der Stiftung „Erinnerung und Frieden“ des „Volksbunds“  unterstützt. Zum vierten Quartal haben sich die Schülerinnen und Schüler mit den Gedenktafeln befasst und haben verschiedene Konzepte entwickelt wie man mit den Tafel, welche zurzeit im Keller stehen, umgehen soll. Dabei spielen jedoch Fragen der Ethik als auch Fragen wie Art und Weise und Umfang der Information eine Rolle. Corona hat der letzten Phase ein jähes Ende bereitet.

 

Vielleicht seht ihr die Tafeln ja bald im Flur hängen, möglicherweise verweilen die Tafeln jedoch noch weitere 100 Jahre im Keller...Wir bleiben gespannt. Die Schüler*innen waren sich einig, dass ihnen der Projektkurs sehr gut gefallen hat, sie zwar viel Arbeit investieren mussten, aber auch gelernt haben. Die Art des Lernens war jedoch besonders, da es viel interaktiver war und kein festes Ergebnis und keine Musterlösung gab.

Vom 27.02.-01.03.2020 ging es für unsere Gruppe auf nach Ypern, in der Hoffnung, einiges über unsere Geschichte und im Besonderen etwas über die „Gefallenen“ unserer Schule zu lernen, welche in Ypern (und Umgebung) begraben sind.

Am Donnerstag fing unsere Reise um kurz vor neun am Düsseldorfer Hauptbahnhof an. Und dann hieß es erst einmal: Bahn fahren. Trotz einiger kleiner Zwischenfälle mit stehen gelassenem Gepäck verlief die knapp vierstündige Fahrt doch ganz unproblematisch. Die Reisedauer vertrieb man sich mit Gesprächen und Spielen wie Stadt-Land-Fluss und Mau-Mau. Kurz vor Brüssel war an den Bahnscheinen sogar noch Schnee sehen! Das Wetter in Ypern war bedeckt und feucht, doch konnte uns das noch nicht die Laune verderben. Nun folgte erst einmal der 1,3 km lange Marsch zu unserer Unterkunft, mitsamt unserem Gepäck, welches wir dann freudig ablegen durften. Nach einer netten Begrüßung teilten wir uns auf die Zimmer auf. Viel Zeit zum Einleben gab es dann jedoch nicht, denn es ging schon wieder die 2km Richtung Stadt zum „In Flanders-Fields-Museum“. Dort verbrachten wir die letzten Stunden bis zu dessen abendlicher Schließung und lernten dabei viel über die Menschen in den Schlachten um Flandern und wie es ihnen an den Fronten erging. Es gab viele interessante Beiträge und Geschichten zu entdecken, weshalb die Zeit doch eher schnell verflog.

Da sich nun der Abend und damit der Hunger näherten, beschlossen wir, die nächsten 2 ½ Stunden zur freien Verfügung zu stellen, um sich ein wenig in Ypern umzuschauen und etwas zu Abend zu essen. Um kurz vor acht trafen wir uns alle am Menenpoort (Menen Tor) ein, um der seit 1928 täglich (!) stattfindenden „Last-Post“ Zeremonie beizuwohnen. Die Zeremonie ist eine Gedenkveranstaltung zu Ehren der Gefallenen des British Empire (UK, Kanada, Australien, Indien,…), bei welcher Trompetenmusik gespielt, eine kurze Ansprache gehalten, eine Schweigeminute eingelegt und Blumen(-kränze) aufgestellt werden. Die Zeremonie war gut besucht, auch von vielen Schüler*innen aus Nachbarländern wie England und Frankreich, doch unser Lehrer beteuerte, dass es verglichen mit anderen Tagen ziemlich leer war. Auf jeden Fall war es sehr beeindruckend, besonders auch durch den Torbogen an sich, in welchen die fast 55.000 Namen der vermissten Commonwealth-Soldaten der ersten drei Flandernschlachten eingemeißelt sind und welcher einen an die Menschenmassen erinnert, welche sich hier bekämpften. Etwas bedrückt aber dennoch nicht betrübt ging es zurück zu unserer Unterkunft, wo wir den Abend bei Spielen und Tischtennis ausklingen ließen und auch relativ zeitig unsere Betten aufsuchten, denn am nächsten Tag brauchten wir einiges an Energie.

 

Am Freitag gab es um 08:00 Uhr Frühstück, bei welchem wir uns auch gleich Lunchpakete für unseren Tag packten, denn heute stand eine 10km lange Wanderung über verschiedene Ehrenfriedhöfe bis hin zum „Memorial Museum Passendale“ an. So ging es dann den zunächst sonnigen Weg Richtung Nordosten.

Auf etwa der Hälfte des Weges kamen wir an zwei eher kleinen Friedhöfen vorbei. Beim ersten handelte es sich um einen britischen, beim zweiten um einen französischen und schnell wurde deutlich, wie die Friedhöfe der verschiedenen Länder zu unterscheiden waren. Bei den britischen Friedhöfen besetzten Grabsteine die Gräber, welche nach oben hin eine Rundung aufwiesen, bei französischen Friedhöfen standen Kreuze auf den Gräbern. Auch war auf jedem britischen Friedhof ein Altar zu erkennen und auf den französischen war die Trikolore gehisst. Je weiter wir an diesem Tag gingen, desto schlechter wurde das Wetter, denn die Wolken zogen zu, es frischte auf und wurde windig. Dennoch ging der Weg für uns weiter durch die Felder und über die Schlachtfelder und Frontlinien von 1914-1918 und schließlich kamen wir zur Mittagszeit am Museum an. Nach kurzer Stärkung ging es hinein in die Ausstellung, welche durch Audioguides begleitet wurde und viel bot. Besonders spannend war unter anderem der Nachbau eines „Dugouts“, eines unterirdischen Unterstands, welcher nachgebaut und zu betreten war. Besonders die Geräusche und Lichteffekte vermittelten hier ein lebensechtes Gefühl. Ebenso beeindruckend war die Ansammlung an Geschossen und Munition im Raum danach. Zum Ende hin ging es durch den Nachbau eines Schützengrabens, welcher, genau wie der „Dugout“, ein lebensechtes Gefühl vermittelte. So konnten die Umstände, unter denen gekämpft wurde, besser verstanden werden, besonders da es wieder anfing zu regnen. Den Abschluss bildete eine Ansammlung an Grabsteinen und Gedenktafeln, die ein mulmiges Gefühl hinterließen.

 

Trotz des mittlerweile starken Regens hatten wir noch ein letztes Ziel auf unserem Tagesplan: der Tyne Cot Cemetery. Also hieß es für uns erneut aufbrechen und zum 2,5km langen Marsch durch den Regen anzutreten. Doch dieses letzte, wenn auch beschwerliche, Stück hatte sich gelohnt, denn bei Tyne Cot handelt es sich um den weltweit größten Friedhof von Commonwealth-Soldaten. Die große Anzahl an Gräbern war sehr beeindruckend, wenn auch ein wenig bedrückend, besonders unter Betrachtung der großen Außenwände, welche von Oben bis Unten mit Namen von Vermissten beschrieben waren.

 

An unserem dritten Tag war eine Fahrradtour geplant. Das Wetter spielte an dem Tag leider nicht mit. Um es leichter zu machen wurden Elektrofahrräder ausgeliehen doch schon nach einem kurzen Stück fing es stark an zu regnen. Unsere erste Station war der Essex Farm Cemetery (John McCrae Gedenkstätte) welche noch in Ypern liegt. Neben dem Friedhof verfasste der Militärarzt McCrae 1915 das für die Commonwealth-Gedenkkultur zentrale Gedicht „In Flanders Field the poppies grow over the crosses row in row“. Von der Essex Farm Cemetery ging es trotz des schlechten Wetters entlang des Yser-Kanales und streckenweise durch fußtiefen Schlamm weiter Richtung Diksmuide. Ging auch unterwegs eine Socke im Schlamm verloren so blieb die Laune doch erhalten. Nach einiger Zeit klärte sich auch das Wetter und es wurde sonnig. In Diksmuide angekommen haben wir vor Ort eine Mittagspause eingelegt. 

Mit klarerem Wetter und guter Laune ging es weiter Richtung Vladslo. Die Kriegsgräberstädte Vladslo ist ein deutscher Soldatenfriedhof, wo 25.645 deutsche Soldaten begraben liegen. Dort liegt auch der Sohn von Käthe Kollwitz, die für den Friedhof die steinerne Plastik „Die Trauernden Eltern“ schuf. 

Auf diesem Friedhof liegen ebenfalls drei ehemalige Schüler unserer Schule. Da die Gräber selten gereinigt wurden, haben wir diese mit einer Socke und Wasser gewaschen, so dass der Name „unserer Mitschüler“ wieder gut zu lesen war.

Auf dem Rückweg befanden sich noch weitere Ziele. So sind wir zur Gräberstätte Langemark gefahren und haben uns auch diesen deutschen Soldatenfriedhof angeschaut. Langemark galt lange als Mythos der „opferbereiten deutschen Jugend“. Vor allem da es schon dunkel war hatte dies einen besonders gruseligen aber auch überwältigenden Charakter.

Danach ging es wieder zurück zum Fahrradverleih, wobei die meisten Fahrräder schon einige Kilometer vorher ihre Energie verbraucht hatten und man nun ohne Unterstützung fahren musste (davor musste man auch treten hatte jedoch weniger Anstrengung). Insgesamt war dies ein schöner Tagesausflug, welcher uns jedoch sehr viel Kraft gekostet hat.

Am Sonntag brach schon unser letzter Tag in Ypern an. Wir frühstückten und packten unsere Sachen und für diejenigen die wollten, bestand die Möglichkeit, noch einmal in die Stadt zu gehen und auf dem Weg die Vestingroute und das Rijselpoort anzuschauen, Teile der alten Stadtmauer und Festung Yperns. Auch hier stießen wir wieder auf einen kleinen Friedhof. Da wir jedoch nicht mehr allzu viel Zeit hatten, teilten wir uns noch einmal auf, um zu Mittag zu essen und Kleinigkeiten wie Andenken zu kaufen. Schon bald ging es ein letztes Mal den Weg zurück zur Jugendherberge. Dort trafen sich noch einmal alle zusammen, um die Fahrt grob zu evaluieren und besprechen.

 Und viel zu schnell hieß es „Abschied nehmen“ und mit voller Montur auf zum kleinen Bahnhof, an dem bald unser Zug zurück nach Düsseldorf hielt. Mit einigen Umstiegen, die wieder mehr oder weniger ohne Zwischenfälle verliefen, kamen wir etwas müde aber glücklich um elf Uhr abends an, um einige Erfahrungen und Eindrücke bereichert und mit neuem Tatendrang im Gepäck.

 

Anne und Dina Q1